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Montag, 26. Oktober 2009

Akzente setzen


Dass man diese Phrase auch falsch verstehen kann, durfte ich kürzlich entdecken, als mir ein Reviewtext ins Auge sprang, der in bayrischem Kauderwelsch verfasst worden war. Automatisch musste ich daran denken, dass Dia- und Soziolekte durchaus als Stilmittel in der Literatur verwendet werden, um auf geografische/soziale/temporale Herkunft entsprechender Charaktere zu verweisen. Aber ist das auch in deutscher Literatur gängig?

Im Englischen ist es durchaus beliebt, wenn ich nur daran denke, wie in "Die Farbe Lila" der afroamerikanische Südstaatenslang dominant eingesetzt wurde, oder man denke nur an "Pygmalion" und den netten Cockney-Accent. Ich entsinne mich an einen Artikel, der zurzeit des HdR-Film-Booms erschienen ist und die Sprechvarianten der einzelnen Rassen diskutiert hat, die in Mittelerde vertreten sind. Im englischen Original kann man da ja hervorragend mit regionalen Akzenten spielen, von amerikanischem Englisch bis hin zu RP war da alles dabei. Nun fragte sich der Autor, wie das wohl aussähe, würden wir ein deutsches Äquivalent in der Synchronisation benutzen. Legolas wurde da ein herrlicher Berliner Dialekt angedichtet: "Ey Frodo, ick glob', ick hör wat trapsn!" Man stelle sich das mal auf über 10 Stunden Filmmaterial vor. Ich glaub, das wäre die beste Parodie, die dem Film passieren könnte. Nun ist das natürlich in synchronisierten Filmen eine Sache. Im Original verkaufen sich Dialekte sicherlich besser, man denke nur an den Schuh des Manitu. Da werden sie aber auch effektvoll eingesetzt.

In der Literatur ist das wiederum eine andere Geschichte. Ist es erwünscht, Charakteren Dialekte anzudichten? Im Sinne von Charakterisierung sicherlich, aber wie sieht das beim Leseempfinden aus? Ich wüsste, dass es mich sehr irritieren und bald unglaublich nerven würde, wenn ich permanend dechiffrieren müsste, was der Autor von mir will oder sehr regionales Vokabular benutzt. Nein, auf Dauer würde ich so einen Text nicht durchhalten, fürchte ich. Es ist etwas anderes, wenn man jemandem informale Sprache andichtet, leichtes Nuscheln, eine Mundart oder sehr spezielle Wortwahl/-wiederholung. Bei "I woas a net" wäre ich da schon vorsichtiger. Heißt nicht, dass es ein No-Go ist, aber es sollte denke ich sparsam verwendet werden, gerade wenn man ein Publikum im Sinn hat, das nicht aus entsprechendem Sprachraum stammt. Interessant ist es, wenn man anhand des Textes herauslesen kann, aus welcher ungefähren Ecke der Autor stammt. Manche Floskeln, Wendungen oder gar grammatikalischen Eigenarten (ich sag nur "Ich bin gestanden" vs. "Ich habe gestanden") verraten dich einem aufmerksamen Leser.

Noch ist die deutsche Schriftsprache nicht völlig vermündlicht; manche bemühen sich noch um die Erhaltung des Genitivs (auch wenn ich immer mehr FFs entdecke, die einem Wegen bevorzugt einen Dativ zur Seite stellen), andere haben diese unangenehme Entwicklung in ihre Schriftsprache übernommen. Sprache entwickelt sich kontinuierlich, ist kein fixes, geschlossenes System. Nur manchmal graut mir ein bisschen davor, in welche Richtung sie sich noch entwickeln mag. Solange kein "Ey Alder" in den Bestsellerlisten erscheint, ist glaub ich noch nicht aller Tage Abend.

Den, also einen schönen Abend, wünsche ich euch trotzdem!

Stoffi

2 Kommentare:

KathysSong hat gesagt…

Oh danke, Stoffi. Legolas als Berliner *immer noch lacht*. Was spricht denn Haldir dann? Arrogantes wienerisch? :D
Aber mal jetzt im Ernst - ich finde, Dialekte und Akzente klappen meist nur in der englischen Sprache. Da fiel mir jetzt spontan Harry Potter ein, genauer gesagt Hagrid. Dessen Sprache hat mich beim Lesen so gar nicht gestört.

Im Deutschen wirds dann schon schwieriger. Ich wunderte mich vor ein paar Tagen, warum Word das Wort Nieser nicht kannte. Klar - das wird hier regional gebraucht. Ebenso, wie ich verzweifelt nach einer Alternative zum "Suppe aufscheppen" gesucht habe. Letztendlich wurde die Suppe dann auf die Teller gefüllt...

Wahrscheinlich ist es wirklich so, dass im Deutschen Dialekte wunderbar greifen, wenn man sich in der Humorsparte bewegt (wie eben Der Schuh des Manitu). Aber sobald man in ein anderes Genre wechselt, wird es eine Gratwanderung...

Stoffi hat gesagt…

Ja, da hab ich auch sehr lachen müssen. Bilder in meinem Kopf. Icke-Elben im Düsterwald...witzig fand ich dialektale Übersetzung auch in "Monsters Inc.", als der Yeti geschwäbelt hat, aber in deutscher Literatur...ist es eher selten. Tendentiell gehen Übersetzer Dialekten aus dem Weg, standardisieren sie oder ersetzen sie mit Soziolekten, falls der Dialekt charakterisieren sollte. Aber mir würde nie einfallen, im Original einen Dialekt zu schreiben. Das würd ich gar nicht durchhalten und meine Finger würden sich vehement wehren. Es ist ganz sicher eine Genrefrage. Soziolekte kann ich mir bei ernster Lektüre durchaus vorstellen, aber sowas wie Bayrisch oder Sächsisch in Dialoge pressen...uah...nee, das mag ich als Leser nicht, als Autor erstrecht nicht. Gut, dass wir uns da einig sind!

*drück*

Stoffi