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Donnerstag, 10. September 2009

Alles eine Frage der Perspektive


Ich erinnere mich noch recht deutlich daran, wie meine Deutschlehrerin in der fünften Klasse meinen Mitschülern und mir zum ersten Mal das Konzept des "kreativen Schreibens" nahezubringen versuchte. Zuvor habe ich auch schon meine superspannenden Schildkrötengeschichten und Weltraumabenteuer einer Crew (Ähnlichkeiten zu meinen damaligen Schulkameraden waren natürlich reeeein zufällig ;)) zusammengesponnen, aber das Ding hatte für mich keinen Namen. Ich hab irgendwann einfach angefangen. Jedenfalls endete unser erster Ausflug ins Land der Fantasie damit, dass wir alle ein Märchen schreiben sollten. Dabei kreisen mir immer noch die Faustregeln zum Verfassen eines Prosatexts im Kopf herum: Erzählzeit Präteritum, eine feste Erzählperspektive und nach Inhalt gliedernde Absätze.

Heute frag ich mich manchmal noch, ob man sich wirklich daran halten muss. Immer öfter stolpere ich über Fanfictions, die im Präsens geschrieben sind. Oder die permanente Perspektivwechsel drin haben, oder aber auch zwischen verschiedenen Tempora hin und her springen. Es gibt keine Gesetze, wie ein Text geschrieben sein sollte; was ich mir als Leser allerdings wünsche, ist Konstanz. Kein permanentes Hin und Her, Perspektivensprünge, bei denen ich nicht mehr weiß, ob gerade A oder B spricht (von den hübschen ***POV Harald*** - Einschüben mal ganz abgesehen), oder gar willkürliche grammatikalische Zeitreisen.

Ich muss gestehen, ich finde es unglaublich schwer, einen Text im Präsens zu schreiben. Nicht, weil das erzähltechnisch unmöglich für mich ist, sondern weil ich viel zu lange schon im Präteritum schreibe. Ich entsinne mich daran, wie ich damals "Wer nicht wagt..." geschrieben habe, ein kurzes Episödchen über Joaquin Phoenix. Ich-Perspektive, Präsens. Ich bin immer wieder ins Präteritum abgedriftet und musste ein halbes Dutzend mal drübergehen, bis ich auch alles auf Präsens abgeändert hatte. Warum also Präsens wählen? Nun, weil es durchaus an manchen Stellen spannend sein kann und atmosphärisch verdichtet. Der Leser hat noch ein stärkeres Gefühl, hautnah dabei zu sein. Besonders bei Action-Sequenzen ist mir das öfters aufgefallen.

Ich bevorzuge allerdings beim Lesen wie auch beim Schreiben das Präteritum. Keine Ahnung, wieso. Ich merke nur, dass ich automatisch Präteritum lese, obwohl da Präsens steht. Irgendwie mag sich die fiktionale Abteilung meines Hirns, die für Fantastereien jeglicher Art zuständig ist, nicht damit anfreunden. Insbesondere eben nicht, wenn mittendrin plötzliche Sprünge und Wechsel kommen. Ist was anderes, wenns speziell gekennzeichnet ist - meinetwegen kursiv für Erinnerungen, Gedanken - aber wenn abrupt im Erzählfluss gewechselt wird, irritiert es mich. Ganz selten hab ich auch mal gesehen, dass die Erzählperspektive mehrfach gewechselt wurde. Jetzt nicht auf personaler Ebene (wie ich oben bereits anmerkte: "POV Harald"), sondern wirklich die ganze Palette durch: Ich-Perspektive, auktorial, personal...das find ich irgendwann einfach schwierig zu lesen. Irgendwie hab ich dann auch das Gefühl, dass der Autor selbst nicht recht weiß, was er jetzt wie erzählen möchte.

Noch seltsamer find ichs, wenn die Ich-Perspektive reihum geht. Also so nach dem Motto: In jedem Absatz ist das Ich ne andere Figur. Wenn man sich schon für die erste Person entscheidet, sollte man auch konsequent genug sein, sie auf eine Person zu beschränken und durchzuziehen. Das ist nicht immer einfach, gerade wenn man mal die Gefühle oder Gedanken eines anderen Charakters zur Geltung bringen will, aber das muss man dann in Kauf nehmen.

So offen ich für Experimente und Stilbrüche auch bin, aber Tempus und Perspektive sind zwei Sachen, bei denen ich gern n bisschen Stabilität haben möchte. Für mich ist das das Fundament einer Geschichte, der Rahmen, der alles irgendwo in Ordnung und beisammen hält. Als Leser wirft mich sowas einfach raus, so leid es mir auch tut. Nichts gegen Flashbacks, mit denen arbeite ich selbst gern, ich meine halt den erzählten Text als Ganzes. Da sollte irgendwo ne klare Linie und formale Struktur gegeben sein. Einen POV-Wechsel sollte man glaub ich auch ohne dicke Anmerkung erkennen und herauslesen können (sofern die Geschichte nicht in der 1. Person erzählt wird, dann ist das wieder ne andere Kiste). Generell hab ichs gern, wenn die Ich-Perspektive an einem Chara hängen bleibt, so viele Nachteile das auch mit sich bringen mag, aber es macht meiner Meinung nach keinen Sinn, bei ner Ich-Perspektive ständig zu wechseln. Dann kann ich gleich nen personalen oder auktorialen Erzähler wählen.

Ich überlege selten vorher, aus welcher Perspektive ich eine Geschichte erzählen will/soll. Es muss passen, sich stimmig genug schreiben lassen. Daher gibt es kein "Richtig" oder "Falsch", kein "Gut" oder "Schlecht" in Sachen Perspektive; ich denke, man sollte sich als Autor hauptsächlich beim Erzählen wohlfühlen. Wenn man das tut, kommts zumeist auch beim Leser gut an, ist zumindest mein Erfahrungswert. Sobald man beim Schreiben anfangen muss, richtig zu überlegen und nachzudenken, fehlt es dem Text an gewissem Fluss. Ich merks zumindest bei mir, dass ich oft Passagen verwerfe, die nur sehr zäh von der Hand gehen.

Wie so vieles sind diese beiden Aspekte Geschmackssache. Wie der eine lieber Schnulzen liest und der andere eher Krimis, so geht der eine in der Ich-Perspektive auf, die der andere wiederum tunlichst meidet. Das Gute am weiten Feld der Fikion ist, dass für jeden etwas dabei ist. ;)

Bei meiner kleinen Schmonzette hab ich mich wieder für die personale Variante entschieden. Da gibt es lediglich klar abgegrenzte Wechsel zwischen Robyn und Finn, wobei ich mich noch nicht entscheiden kann, welche Sichtweise die interessantere ist. Es sind zwei völlig unterschiedliche Lebenswelten, die da kollidieren, unterschiedliche Ansichten und Wahrnehmungen des anderen. Es ist spannend, damit zu experimentieren und einige Szenen aus anderen Winkeln zu beleuchten, auch wenn ich es vermeide, die gleichen Szenen mit einer anderen Perspektive aufzuwärmen. Das dürfte den Leser irgendwann langweilen, glaub ich.

Kapitel 6 steht in den letzten Zügen, ich gedenke es nachher noch zu beenden. Ist es eigentlich schlimm, wenn nach 6 Kapiteln noch keine sichtbaren Funken gesprüht sind? Ach, ich weiß, Romanzen und ich...wir brauchen viel Zeit.

Macht euch einen schönen Abend!


Stoffi