Ja, ich sollte mich eigentlich schämen, uralte Werbeslogans von Sat. 1 für meine Zwecke zu missbrauchen, aber ich fand den Titel ganz passend zu meinen neuerlichen Gedanken über die Welt des Lesens und Schreibens. Mir ist mal wieder aufgefallen, was für mich als Leser wichtig bei der Lektüre von Büchern und auch Fanfictions ist - das Spiel mit den Gefühlen. Es muss nicht immer eine Achterbahnfahrt sein, auf die ich mitgenommen werde, ich muss nicht alle verfügbaren Emotionen beim Lesen eines Textes durchleben - das wäre zum Teil auch wirklich zu viel verlangt. Fakt ist nur, dass ich irgendetwas fühlen MUSS, wenn ich das Buch nicht aus der Hand legen, bzw. die Fanfiction wegklicken will. Und genau diesen Effekt heraufzubeschwören; den Leser empfinden zu lassen, ist meines Erachtens schon eine Herausforderung. Es geschieht mir nicht oft, dass ich beim Lesen Tränen in den Augen habe, weil mich der Text sehr berührt oder bewegt; das trifft bei mir allerdings auch auf die meisten Filme zu. Manchmal wird mir die Emotionalität eines Holzklotzes nachgesagt *hust* Das wiederum heißt: es ist eine umso größere Leistung, mich tatsächlich zum Weinen zu bringen (auch wenn man meinen könnte, dass Einfallslosigkeit, Nichtvorhandensein von Rechtschreibung und Grammatik, und Absenz jeglichen Stils dafür sorgen könnten: nein, ich meine richtige Tränen). Zugegeben: viele Texte haben das noch nicht geschafft; dafür lass ich mich umso lieber zu einem lauten, herzhaften Lacher hinreißen oder zu einem tiefgehenden Seufzer, Herzrasen, Abscheu, Hass und Ekel sind ebenfalls keine Seltenheit. Was ich damit sagen will: man hat zumindest bei mir persönlich schon gewonnen, wenn man mich gefühlstechnisch mitreißen kann.
Ich erinnere mich manchmal gern an die Schulzeit zurück, als wir uns in unseren ersten behelfsmäßigen Interpretationsaufsätzen gern der Phrase "Die Intention des Autors ist es, mit seinem Text zum Nachdenken anzuregen" bedienten. Heute kann ich darüber nur grinsen. Wie viel von den verfassten Texten ist wirklich Intention und was fließt unbewusst in sie hinein? Ist Interpretation und Gefühl nicht immer auch leserabhängig?
Was den einen zum Lachen bringt, mag dem nächsten höchstens ein Braueheben entlocken; wo andere schmachtend zerfließen, rollen sich anderweitig vielleicht Zehennägel hoch; wo der eine zitternd das Buch zuklappt und am besten weit, weit wegwirft, liest eine weniger zartbesaitete Seele vielleicht in aller Ruhe weiter. Emotionen sind wie Interpretationen zu einem gewissen Teil sehr subjektive Bestandteile eingängiger Lektüre. Natürlich kann es der Autor auch darauf anlegen, bestimmte Stimmungen zu erzeugen, kann versuchen, auf die Tränendrüse zu drücken oder aber mit Humor Lacher zu entlocken.
Wie so vieles ist aber gerade Emotionalität für mich intuitiv: will heißen - ich will eine Emotion nicht erzwingen. Bei eigener Lektüre stolpere ich oft über Fälle, in denen zu viel "gewollt" worden ist. Zum Beispiel: da stapeln sich die schmalzigen Klischees, um mir visuelle Karies zu bescheren, sodass ich nur noch seufze, weil es abgedroschen, aber keineswegs schön ist; da wird Humor zu Slapstick oder taucht zu oft unter die Gürtellinie, um langfristig unterhaltsam zu sein; da fließt extra viel Blut oder kommen extra viele Monster vor, die eher den Eindruck erwecken, man selbst wäre als Leser Zeuge einer Kindergeburtstagsfeier von Zombies anstatt in einem guten Horrorthriller. Da schließ ich mich selbst nicht aus. Was ich fabriziere, mag für meine Verhältnisse im Rahmen des Erträglichen sein, Leser mögen manches als zu heftig erachten. Es ist schwer, einen allgemeinen Nerv zu treffen, weil jeder anders emotional gestrickt ist und das schlägt sich sicherlich auch in Leserreaktionen nieder. Die einen gähnen nur müde, während andere vor Spannung fast in die Schreibtischkante beißen.
Allen kann man es sicherlich nicht recht machen, wenn es um Emotionen geht; aber für mich persönlich ist es ein großes Lob, wenn ich jemanden zum Lachen, Weinen, Grübeln, Seufzen oder Mitfiebern bringen kann - insbesondere, wenn ich dasselbe beim Schreiben entsprechender Szenen empfunden habe.
Emotionen sind das Salz in der Suppe. Ich ertappe mich oft dabei, wie ich Geschichten nicht mehr weiterverfolge oder Bücher weglegen, weil sie mich nicht ansprechen. Da mag der Stil in Ordnung, die Storyline nachvollziehbar und logisch sein - wenn nur der Kopf beansprucht wird und nicht das Herz, verliere ich schnell das Interesse.
Wie kann man Emotionen transportieren? Wohl am besten über die Charaktere. Sympathie ist dafür nicht wirklich ausschlaggebend, schließlich sind Wut und Abscheu gleichsam Empfindungen wie Freude oder Mitgefühl. Lebendige Gefühle kann man erst dann erzeugen, wenn die Charaktere selbst lebendig sind. Hölzerne Protagonisten, deren Klone man in einem Dutzend anderen Stories wiederfindet oder ein Einheitsbrei aus nichtssagenden Nebendarstellern können den Job nur schwer erfüllen. Wie es dann letztlich beim Leser ankommt...nun, darauf hat der Autor wohl nicht immer Einfluss. Die Hauptsache ist nur, dass es ankommt.
Habt einen schönen Abend!
erst mal geschlossen
vor 12 Jahren
2 Kommentare:
Emotionen mag sicher gern jeder in den Geschichten wiederfinden, die er liest - mal mehr, mal weniger. Das ist individuell verschieden, hängt darüber hinaus aber auch von der Tagesform des Einzelnen ab: Was mich heute begeistert, könnte morgen zu komplex sein, weil die Nerven eh schon angekratzt sind.
Sicher ist es ein Ding der Unmöglichkeit, wollte ein Autor alle Eventualitäten berücksichtigen. Daher wird es wohl auch kaum eine Patentformel dafür geben, wie man Gefühle beschreiben / transportieren "muss".
Meinen Geschmack kann man recht gut treffen, wenn man sowohl die Personen als auch das Drumherum nicht allzu plakativ in Worte fasst. Wenn ein Chara humorvoll ist, so soll er es mir "beweisen". Es muss nicht explizit im Text stehen wie Augenfarbe und Schuhgröße, dass er andere zum Lachen bringt. Ich möchte es gern selbst herauslesen dürfen und mir ein Bild machen. Das "zwingt" micht nämlich in gewisser Weise dazu, mich in die eine oder andere Person hinein zu versetzen, statt nur vorgegebene Phrasen zu konsumieren.
Die besten Charas einer Geschichte sind nichts ohne den entsprechenden Rahmen. Auch hier mag ich es, wenn meine Fantasie angeregt wird und ich mir Örtlichkeiten, Geräusche, Stimmungen usw. vorstellen darf - sie selbst nachempfinden muss. Denn damit wird die erzählte Geschichte lebendig und die Emotionen können sich beim Lesen einstellen. Dabei habe ich festgestellt, dass mitunter nur wenige, dafür aber umso geschickter gewählte Worte ausreichen können, bestimmte Reaktionen beim Lesen hervorzurufen. Wenn das funktioniert, dann hat der Autor sein Fingerspitzengefühl wirklich unter Beweis gestellt. Auch ist es nicht notwenig, dass ich beim Lesen von einem Gefühlschaos ins nächste wanke. Es ist nicht weniger eine Kunst, leise Stimmungen und ruhige Situationen glaubhaft rüber zu bringen.
Soweit meine Sichtweise als Leserin. Ganz anders ist es, wenn man selbst über einem Text brütet und sich nicht sicher ist, ob man das wirklich transportieren kann, was man vermitteln will. Mir hilft es dann meist, ein wenig Abstand zu nehmen und einige Tage ins Land gehen zu lassen - wenn ich den Text dann lese und für stimmig befinde, wird's schon nicht so schlimm sein ...
Du, liebe Stoffi, wirst dir wohl keine Sorgen machen müssen, was die emotionale Seite deines Schreibens angeht. Dass es dir mal nicht gelingen sollte, Gefühle bei deinen Lesern zu provozieren, ist eher unwahrscheinlich.
Eh die Textbegrenzung meckert liebe Grüße und einen schönen Abend,
deine Jathy
Oh, das Empfinden, wie viel Emotion genau richtig ist, ist sicherlich Lesersache, da gehen die Geschmäcker einfach zu weit auseinander. Ich zum Beispiel hab ein sehr niedriges Kitsch-Alarmlevel; sprich, wenns zu rosarot und zuckersüß wird, nehm ich Reißaus, andere können nicht genug von Schmonzetten bekommen. Da gibt es (leider oder zum Glück?) kein Allheilmittel. Aber Gefühl ist für mich ein Muss. Wie du schon sagst, das gesamte Emotionsspektrum abzurufen überfordert einen Leser eher und ich halte es auch für zu heftig, einen Text zu stark emotional aufzuladen, wenn man von einem Schockzustand in den nächsten überwechselt. Da muss auch Ruhe rein. Japp, das unterschreib ich gern; wenn schon gesagt wird: jetzt wird es traurig! bin ich alarmiert. Emotionen sollten subtil rüberkommen, auch zwischen den Zeilen verständlich sein, sonst komme ich mir vor wie bei der Lektüre eines Drehbuchs, bei der die Regieanweisungen "jetzt lachen!" mit eingebunden sind.
Manchmal ist die Erzeugung von Gefühlen sehr stimmungsabhängig bei mir. Seltsamerweise bekomme ich die herzzerreißendsten Sequenzen oft dann hin, wenn ich bestens gelaunt bin, das ist bei mir sehr abhängig von der Tagesform.
Oh, ich mache mir schon Gedanken, was die emotionale Tragweite meiner Texte angeht und ich freu mich auch wirklich wie verrückt, wenn ich sehe, dass da wirklich mit Leib und Seele gelesen, gelacht, geflucht, gemeckert oder geseufzt wird. Das geht unter die Haut und ist für mich ein großes Lob, das nicht selbstverständlich ist.
Danke für deine lieben Worte und deine Eindrücke, liebe Jathy *drück*
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