Heute nur einen kleinen Zwischenstopp hier, weil ich gleich wieder in die Spur muss. Ich bin vorhin nur über eine (englischsprachige) Autorin gestolpert, die sich ganz arg gegen so genannte "Joker Fangirls" ausgesprochen hat und vehement alles zu lesen ablehnt, was auch nur entfernt die Möglichkeit einräumen könnte, dass es ein romantisches Techtelmechtel mit dem luziferischen Harlekin geben könnte. Ich muss sagen, ich bin auch kein Fan von Weichspüljokers oder plötzlichen Emo-Sensibelchen mit Clownsschminke, die sich plötzlich daran erinnern, wie schön die Liebe doch ist und Schmetterlingen auf ner bunt blühenden Wiese hinterher jagen...weil...mal ehrlich, weiter OOC gehts gar nicht mehr...aber kategorisch alles abzulehnen, was einen weiblichen Protagonisten hat...wow...hey, da sollte man besser gleich die Fanfictionsparte bleiben lassen und zum Buch greifen. Ich weiß, dass es viele Autoren auch im deutschsprachigen Raum gibt, die gern alles über einen Kamm scheren, was auch nur annähernd in die Richtung "Kuscheljoker" (an dieser Stelle einen Dank an Herzlos für diese Bezeichnung, die mich sehr zum Lachen gebracht hat!) geht, sprich, was einen weiblichen Hauptchara hat, der irgendwie mit dem Joker verstrickt wird. Klar ist es ein schmaler Grat zwischen Schund und Qualität, zwischen Klischee und Innovation, aber hey, solange man nicht gelesen hat, kann man sich doch schlecht ein Bild machen. Zumal es allein auf ff.de genügend Gegenbeweise gibt, in denen ein weiblicher Chara nicht zwingend zur Liebe des Lebens für den Joker gemacht wird. Und solange der Joker in character bleibt, kann man meinetwegen auch ne Romanze spinnen. Würde ich persönlich zwar sicher mit etwas Vorsicht genießen, aber doch nicht gleich als schlecht abstempeln.
Ich denke, manche haben wirklich seltsame Kriterien, die sie zum Lesen bewegen. Meine sind recht simpel und übersichtlich. Vorurteile durch falsche erste Eindrücke kann man sicher nie ganz ausschließen, aber ich denke, es gibt ein paar Punkte, die einen einfach dazu bewegen, zumindest mal reinzuschnuppern oder vielleicht sogar dranzubleiben. Und wie mit so vielem versuche ich mich sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben an meinen eigenen Vorlieben zu orientieren.
1. Der Titel: Sicher mögen das viele als Kleinigkeit ansehen, aber hey, der Titel ist das Präsentationsmittel Nummer 1. Auch da scheiden sich die Geister, ob englische Titel besser sind als deutsche. Ich mag beide, es muss halt einfach zur Story passen. Ich hätte Scar Tissue auch "Narbengewebe" nennen können, aber mir persönlich gefällt nun einmal die Klangfarbe im Englischen besser, was mich deutsche Titel generell nicht ablehnen lässt. Was auf jeden Fall wichtig ist, ist die Rechtschreibung. Es gibt nichts Peinlicheres, als wenn man Rechtschreibfehler oder (besonders im engl. Gebrauch) falsche Vokabeln einbaut. Der Titel ist das, was im Gedächtnis hängen bleibt und man will doch, dass an die Story an sich erinnert wird und nicht an ein Malheur, über das sich Klugscheißer ausschütten. Nicht zu lang, nicht zu kurz, wobei ich persönlich darauf plädiere, dass der Titel nicht zu lang sein sollte. Wenn allein im Titel 2, 3 Nebensätze vorhanden sind, schalt ich generell ab und klick nicht drauf. Sicher mag mir da was Gutes entgangen sein, aber man kann ruhig ein bisschen überlegen, bevor man sich für einen eher holprigen Titel entscheidet.
2. Die Zusammenfassung: Wohl einer der schwierigsten Parts beim Schreiben überhaupt. Zumindest empfinde ich es immer wieder als furchtbar, einen Plot, der sich weit über 300 Seiten erstreckt, auf drei Zeilen zu reduzieren. Eine Zusammenfassung sollte meines Erachtens nach die Handlung nicht schnöde nacherzählen. Sie sollte kurz, prägnant sein und natürlich Lust auf mehr machen. Aber das klingt oft einfacher als es ist. Jemanden nur über die Summary zu ködern ist sicher schwierig, oftmals klicken sich Leser auch aus Neugierde durch, aber die Zusammenfassung ist nach dem Titel ein wirksames Mittel, um Interesse zu wecken. Auch hier gilt: Eher kurz fassen. Zitate sind ein gutes Mittel, um Interesse zu wecken, aber ich finde, sie haben in Summaries nichts verloren. Zusammenfassungen stecken die Dreh- und Angelpunkte ab. Wer sind die Protagonisten, was ist der Ansatz, der den Stein ins Rollen bringt? Teasersätze, die Fragen in den Raum werfen, sind ideal. Mich kann man zumindest prima damit ködern. Fragen können ähnlich gut wirken.
3. Leseproben: Leider gibt es nicht in jedem Archiv die Möglichkeit, einen kleinen "Schnuppertext" zu veröffentlichen, der einem vorab einen Einblick in Stil oder sogar Handlung geben kann und somit noch mehr Eigenwerbung verspricht. Das heißt, Eigenwerbung, wenn man die richtige Passage ausgesucht hat. Andernfalls können Leseproben auch das ganze Gegenteil von der eigentlichen Absicht bewirken. Aber wie findet man den idealen Schnuppertext in einem langen, langen Werk? Ich habe mich bisher immer an die Stellen gehalten, die mir selbst persönlich am besten gefallen haben. Manchmal kann man sich partout nicht entscheiden, dann wohl eher auf kürzere Auszüge bestehen. Auf jeden Fall sind Leseproben etwas Tolles, sie geben einen Einblick und wecken das Interesse, wenn schon Titel und Summary allein nicht ausgereicht haben.
4. Die Optik: Darunter zählt die Einteilung in Absätze, Kapitellänge und evtl. spezielle Formatierung (für Rückblenden o.Ä.). Auch wieder etwas, wo sich die Geister scheiden. Ich gehe sparsam mit Absätzen um, schreibe eigentlich immer ohne Absätze, hau die dann aber nachträglich immer in den Text ein, weil glaub ich kein Leser einen Monstertext vor sich hat, bei der man sich der Wortsuche begnügen muss, um die Zeile wiederzufinden, bei der man verrutscht ist. Aber ich mag persönlich auch keine Texte, bei denen jeder Satz auf ner Einzelzeile steht. Stört mich mindestens genauso sehr wie ein Block. Da ist die Mitte wohl goldwert. Ebenso bei der Länge der Kapitel. Manche mögens eher kurz, andere lang. Ich gehöre zu letzterer Sorte. Das ist wohl wirklich Geschmackssache, aber ich denke, auch hier ist ein Mittelweg angebracht. Eine Kapitelwortzahl, die ein Drabble nur mühsam überschreitet, ist - sofern es nicht als Drabble eingeordnet ist - immer strittig. Wenn ich lese, mag ich mich gern in der Story verlieren, ganz in sie eintauchen. Das mit nur sehr wenigen Worten zu bewerkstelligen, ist glaub ich nicht wirklich möglich. Andererseits finde ich Leser immer kurios, die anhand des Scrollbalkens verfolgen, wie viel sie noch zu lesen haben. Entweder ich möchte lesen oder nicht. Simple as that. Wenn's zur Qual verkommt, sollte man es besser bleiben lassen. Außerdem spielt für mich Formatierung schon eine wichtige Rolle. Wenn die Chance auf Format besteht, sollte man sie nutzen, hier und da etwas hervorheben und wenn es nur der zentrierte Kapiteltitel ist. Macht einen Text gleich etwas ansprechender.
5. Die Reviews: Ja, ganz richtig, die Reviews. Natürlich geht das nur als Orientierung für Geschichten, die schon Feedback erhalten haben, aber sie helfen auch ganz gut dabei, herauszufinden, ob der Inhalt nach dem eigenen Geschmack ist. Dabei können Reviews allerdings auch sehr fehlleiten. Sieht man eine Story mit wenig Reviews, heißt das nicht, dass diese Geschichte schlecht ist. Hat eine übermäßig viele, ist sie deshalb nicht herausragend gut. Reviews spiegeln auch die Leserqualität wieder. Sind von 100 Reviews 80 nur sogenannte "toll weiters", sagt das natürlich nicht viel, aber manchmal wird man durch interessantes Feedback auf die Fährte einer Geschichte gelockt. Manchmal kann es daher durchaus hilfreich sein, ein bisschen zu stöbern und zu reflektieren, was für eine Art Leser eine Geschichte anzieht und natürlich wird durch Reviews auch ein wenig gespoilert, was manchmal auch ein Anstoß sein kann, reinzulesen, insbesondere, wenn eine Art Leseprobe nicht vorhanden ist.
6. Der Stil: Jetzt nehmen wir mal an, man hat es geschafft, draufzuklicken. Das Erste, was mir ins Auge fällt, ist der Stil und die Rechtschreibung. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich eine Story wegklicke, in der es vor Fehlern nur so wimmelt, denn Fehler sind nicht nur kleine Makel, sondern können dazu führen, dass man manchmal den Sinn einiger Sätze gar nicht mehr versteht. Klar passieren Tippfehler und klar hat nicht jeder Autor einen Betaleser, aber ich rede auch nicht von Flüchtigkeitsfehlern, sondern wirklichen Stilproblemen. Nicht jeder Stil muss packend sein und einen sofort vom Hocker reißen, aber er muss sich gut lesen lassen. Ich bin ein Bilderfreak, liebe Beschreibungen und Details, andere sind besonders Freunde von Dialogen. Jeder hat seinen eigenen Stil und jeder findet ihn früher oder später, ich denke, man sollte einer Geschichte die Chance geben, sich den Stil anzuschauen, sollte einen der Rest (Titel, Inhaltsangabe, usw.) nicht vom Hocker reißen.
7. Der Inhalt: Last but not least: der Inhalt. Wenn ich mich schon durch alle anderen Kriterien erfolgreich geschlagen habe, lasse ich mich natürlich auf die Geschichte ein, achte auf Logik, stimmige Zusammenhänge, vielleicht Fragen, die beantwortet werden oder offen bleiben. Wendungen in der Handlung, usw. Obwohl es vielleicht der letzte Punkt ist, auf den ich bei der Bewertung einer Geschichte Acht gebe, ist es wohl auch gleichzeitig der wichtigste, zu dem, so habe ich den Eindruck, die meisten gar nicht vordringen, die diese "Ich hab was gegen OCs"-Meinung haben. Dabei kann man dort erst dann ein (qualitatives!) Urteil über eine Geschichte fällen, wenn man wenigstens mal reingelesen hat, sich 1, 2 Kapitel zu Gemüte geführt hat. Wer von vornherein eine Geschichte ablehnt, ohne hineingeschaut zu haben, verpasst was. Inhalt und Stil gehen natürlich Hand in Hand...die Grundidee kann super sein, aber die stilistische Umsetzung unter aller Sau, daher gehen Punkte 6 und 7 bei mir immer einher. Aber ich gebe prinzipiell allem eine Chance, selbst wenn es sich um mein persönliches Lesetabu Slash handelt. Ist er gut geschrieben, glaubhaft umgesetzt und besteht nicht nur aus PWP-Kapiteln, les ichs mir sogar durch und lass meinen Senf zu da.
Was ich damit sagen will, ist keine Anleitung zum Lesen, sondern nur ein Einblick, worauf ich als Leser selbst reagiere. Dabei ist mir selbst schon aufgefallen, dass man manchmal vorschnell aufgibt, weil einem vielleicht irgendwas nicht in den Kram passt (sei's die Reviewzahl oder der Titel...). Klar ist es mühsam, so ausführlich und bedacht vorzugehen und ich lese bei weitem nicht alles, was meinen Weg kreuzt. Aber es gibt Geschichten eine Chance, lehnt sie nicht von vornherein kategorisch ab. So hab ich schon manche Perle gefunden.
Manchmal sind es FFs wirklich wert, einmal reinzuklicken. Zu entscheiden, ob man etwas mag oder nicht, dauert für gewöhnlich nur wenige Minuten, manchmal sogar nur Sekunden.
Macht euch einen schönen Abend!
erst mal geschlossen
vor 12 Jahren
2 Kommentare:
Also ich persönlich lese ganz gerne Joker/OC- Geschichten.Leider stösst man dabei immer wieder auf solche absurden "Kuscheljoker"-Texte.Wenn ich sowas im summary raushöre ignorier ich's.Manchmal sind solche stories aber ganz fies getarnt und man kommt dann doch in den "Genuss".Schon schwer vorzustellen, wie man auf sowas überhaupt kommt.
Ich fand den Joker durchaus sexy, auf ne verschrobene, morbide Art.Aber eben so wie er in Dark Knight dargestellt wurde!
Ich denke der Joker ist im Grunde nicht fähig zu lieben.Nicht nur weil es Abhängigkeit bedeutet und verwundbar macht.Sondern weil er sich als Anarchist komplett dem Chaos verschrieben hat.
Das schliesst ja nicht aus, dass er keine Lust verspürrt.Oder Sex als Manipulationsmittel oder Folter oder was weiss ich benutzen würde.
Oder wie in den Comics(mit Harley).
Am besten gefällt mir der Joker jedenfalls wenn er ganz sein DK-Ich verkörpert.Und wenn die story einigermassen Sinn ergibt und die Charaktere gut ausgearbeitet sind.
Naja, soviel von mir dazu ;)
Es grüsst
Iuliel
Joah, Kuscheljoker sind meiner Meinung nach halt einfach extrem ooc, daher ist das immer n bissl schwierig, ne Romanze o.Ä. draus zu basteln. Aber ich finds schade, wenn Stories, die OCs beherbergen, von vornherein von bestimmten Lesern abgelehnt werden, weil das Vorurteil besteht, sie alle würden nur unglaubwürdige Mary-Sues sein und das ist einfach unfair, weil es wirkliche Perlen gibt. Klar, der Joker ist sexy, weil er gefährlich und kaltblütig ist, dabei aber nicht gierig, geldgeil oder dumm ist. Intelligenz mit Unberechenbarkeit zu kombinieren hat etwas...unbestreitbar charmant. Ich kann dir in allen Punkten nur zustimmen, liebe Iuliel :) Danke für deinen Kommentar!
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